Elf hatten sich dann doch aufgerafft, am 25. Januar um 10:00 mit dem Wannsee-Revierförster Arno Maximini durch einen kleinen Teil seines 1.005 ha großen Reviers im Grunewald zu streifen, denn so richtig ein-ladend war’s nicht – es nieselte. Doch Herr Maximini überspielte das locker und ließ uns tief in seinen Teil des nun seit 105 Jahren zu Berlin gehörenden Grunewalds eintauchen und seine mehr als 40 Dienstjahre in diesem Revier trugen nicht unwesentlich zu spannenden zwei Stunden bei.
Nach einer kleinen Einführung in die Struktur der Landesforstverwaltung Berlin, der größten in Deutschland übrigens, mit ihren vier Forstämtern Grunewald, Köpenick, Pankow und Tegel, die mehr als 29.000 ha Forst umfassen und mit ihren Liegenschaften keinesfalls auf Berlin begrenzt sind, ging es dann im Revier Grunewald, einem der sechs Reviere des übergeordneten Forstamts Grunewald mit seinen knapp 6.000 ha los.
Warum ist denn da ein „S“ am Baum, war eine der ersten Fragen. Das stehe für den Einsatz eines (Hub)Steigers, damit der Waldarbeiter, der dann einen der beiden Steiger im Grunewald bediene, sehen könne, wo er tote Äste entfernen müsse.
Im Wald seien alle Waldbesitzer von Pflicht befreit, die Wege in ihm zu sichern; nur an seinen Grenzen zu Nachbarn oder Straßen gelte das nicht – das sei der Kompromiss gewesen, den man für das Bundeswaldgesetz gefunden und somit den Deutschen Wald überall und für jedermann habe zugänglich machen können.
Natürlich dürfe man Flächen auch einzäunen, aber nur temporär, zum Beispiel, um Rehe daran zu hindern, die Knospen zu fressen, aber wenn die Bäumchen dann größer geworden seien als die Rehe, dann müsse er wieder weg.
Neuanpflanzungen seien allerdings nicht so ganz einfach zum Überleben zu bringen, denn Bäume aus Baumschulen würden dort sehr häufig intensiv gedüngt, um sie schnell verkaufsfähig zu machen; im Wald hätten sie dann aber ohne die liebevolle Pflege aus ihrem jungen Leben größere Probleme, zu überleben, weil sie dort als verwöhnte Bäumchen halt auf sich allein gestellt seien und wenn es dann einen oder zwei trockene Sommer hintereinander gebe…. In einer anderen Berliner Forst gebe es ein gutes Beispiel dafür; dort würde sehr viel Geld in unseren sandigen Boden gesetzt.
Und dann gebe es die die „Mortzfeldt’schen Löcher“, die dem aufmerksamen Waldbesucher als kleine, aber markante „Inseln“ aus alten Laubbäumen im Revier auffallen könnten. Diese oft kreisrunden Buchen/Eichen/Roteichen-Bestände, deren Durchmesser meist nur 20 – 30 m betragen, seien historische waldbauliche Versuche, aus den damaligen monotonen Kiefernwäldern im nordostdeutschen Tiefland durch Lochhiebe und anschließende Bepflanzung mit Laubbäumen, Mischwälder entstehen zu lassen, wie im Flyer der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zum Revier Wannsee zu lesen ist.
Um die 300 Papierkörbe habe es vor Zeiten im Grunewald gegeben, wenn ich das richtig erinnere; heute nur noch wenige. Man habe den Menschen die Gelegenheit gegeben, ihren Müll mit in den Wald zu nehmen und ihn dort zu lassen, statt ihn wieder mit hinauszunehmen. So war es vor ein paar Jahren auch im Tagesspiegel zu lesen. Die abmontierten Papierkörbe eigneten sich allerdings wunderbar zum Schutz gerade gepflanzter Jungeiben; verkehrt herum über sie gestülpt.
Erntemaschinen, die sogenannten Harvester, seien für die Waldpflege der hier üblichen Bäume wirtschaftlich unvermeidbar, denn wollte man manuell mit Motorsäge und Rückepferden arbeiten, müsse man sicherlich zu jedem Baum einen Zwanziger dazulegen; bei Edelholzstämmen, die dann schon mal € 800 brächten, sei das natürlich anders.
Heute bekämen die Forsten vom Betreiber eines Harvesters Geld und der wiederum lebe davon, dass er das geerntete Holz schon bei der Ernte sortiere: Im Rechner einer solchen Erntemaschine könne man hinterlegen, wo der Greifarm seine Sägeschnitte machen und die einzelnen Teile eines Stamms dann auf dem Tieflader ablegen solle – der Mensch auf dem Harvester müsse den Vorschlag nur noch bestätigen.
Natürlich sei die Forstverwaltung auch zertifiziert, sogar von zwei Unternehmen, und nur deswegen habe er die Pfeile auf den Bäumen anzubringen, die den Waldarbeitern sicher ihren Arbeitsbereich zuwiesen und bis deren rote Farbe wieder verwittert sei, dauere es halt seine Zeit.
Der Borkenkäfer, der in den Monokulturen der Hochlagen des Harz so bäumetötend unterwegs sei, sei hier im Mischwald kein Problem, weil die Käfer sehr wählerisch seien und von einer Buche kaum auf eine Kiefer oder Fichte wechselten.
Und natürlich gebe es auch schöne große Hirschkäfer, die nach gut sechs Jahren als Larve im durch Pilzbefall zermürbten Totholz von überwiegend Eichen dann nur etwa drei Wochen Zeit hätten, sich ihres Lebens als Käfer zu erfreuen. Auch deswegen mache es also Sinn, kranke Bäume im Wald vermodern zu lassen.
Vielleicht 3.000 Wildschweine habe es vor 40 Jahren gegeben, heute seien es wohl eher 30.000 und sie seien eh kein autochthones Wild im Grunewald gewesen, sondern von Kaisers und Königs und Privaten zur Jagd importiert worden, wie das Muffelwild.
Die massiven Fundamente der Abspannseile der 1950 erbauten 150 m hohen Gittermasten der „Richtfunkstelle Nikolassee“, von der bis Ende der 60er Jahre alle West-Berliner Telefongespräche „über die DDR hinweg“ nach „West“- Deutschland gefunkt wurden, nämlich zu den Gegenstationen Höhbeck bei Lüchow-Dannenberg und Torfhaus im Harz, zu entfernen, wäre viel zu aufwendig gewesen; folglich blieben sie drin.
Ihre Aufgabe übernahm der 1964 in Betrieb genommene 212m hohe Funkturm auf dem Schäferberg, der nach der Wiedervereinigung um beide großen Parabolantennen mit jeweils 18m Durchmesser und einem Gewicht von je 10 to erleichtert wurde und heute UKW, DVB-T2 und Richtfunk überträgt.
Der 358m hohe Richtfunkmast in Frohnau war bis zur Wiedervereinigung als Gegenstück für das nördliche Westdeutschland in Betrieb und wurde 2009 gesprengt. Sein Nachbar mit 117,5m überträgt heute Mobilfunk.
Nur die Nazis hätten sich nicht daran gehalten, den Grunewald nicht zu bebauen, als sie dort mit der Errichtung einer Wehrtechnischen Fakultät begannen, wo heute der Teufelsberg ist, einer der Schuttberge der im Krieg zerstörten Berliner Häuser.
Und noch ein bisschen Geschichte:
Mit dem Dauerwaldvertrag (auch Dauerwaldkaufvertrag oder Jahrhundertvertrag) kaufte 1915 der kommunale Zweckverband Groß-Berlin erhebliche Waldflächen in der Berliner Umgebung vom Preußischen Staat, darunter auch Teile des Grunewalds. Die heutige Großstadt Berlin, die fünf Jahre später aus dem Zweckverband hervorging, trat als Rechtsnachfolgerin in den Vertrag ein, sodass der Grunewald seither im Besitz Berlins ist. Die Forstverwaltung erfolgt durch die Berliner Forsten.
„Grund für den Dauerwaldvertrag war unter anderem die ausufernde Bodenspekulation zu Beginn des 20. Jahrhunderts gerade auch im Grunewald, die dadurch verursachte Waldvernichtung sollte aus ökologischen und gesundheitspolitischen Gründen eingedämmt werden. Als Ausdruck der ersten deutschen Umweltbewegung kamen auf Initiative zweier Berliner Zeitungen im Jahr 1904 rund 30.000 Unterschriften bei einer Protestaktion gegen die Vernichtung des Grunewalds zusammen. An den dennoch weitergehenden Spekulationen beteiligten sich sowohl der Staat (auch mit der angrenzenden Domäne Dahlem) als auch private Waldbesitzer.
Im Jahr 1909 erreichte die Spekulation mit Waldflächen im Berliner Raum einen Umfang von rund 1.800 Hektar. Der „Zweite Berliner Waldschutztag“ vom 16. Januar 1909 wandte sich vehement gegen die rücksichtslose Spekulation und Waldvernichtung. Laut Forstrat Martin Klees fand die „Beunruhigung der Bevölkerung […] ihren erneuten Niederschlag in einem von einer Groß-Lichterfelder Zeitung herausgebrachten Sonderabzug mit der Überschrift: ‚Der Grunewald ist dem Verderben geweiht‘“.
Der Abschluss des Dauerwaldvertrages mit dem Ankauf auch des Grunewalds geht somit nicht zuletzt auf den Druck der ersten deutschen Umweltbewegung zurück. Quelle: Wikipedia
Besonders erwähnenswert sind vielfältige landschaftliche Besonderheiten, beispielsweise die Grunewaldseenkette, der Grunewaldgraben und auch Restmoore, die zum Teil unter Landschaftsschutz bzw. unter Naturschutz gestellt sind. Auf dem Glienicker Werder verwaltet das Forstamt Grunewald mit der Nikolskoer Landpartie einen Teil des Weltkulturerbes "Potsdamer Schlösser- und Seenlandschaft".
Das Haus der Revierförsterei Wannsee, Kronprinzessinnenweg 60, 14129 Berlin, wurde 1928 im Jagen 74 als Ersatzbau für die „alte“ Försterei, die sich unmittelbar an der AVUS befand, von der Reichsautobahnverwaltung erbaut. Nach dem 2. Weltkrieg wurde sie in „Nikolassee“ umbenannt und hieß so bis 2011. Durch eine Umstrukturierung des Forstamts Grunewald und Gebietstausch erhielt sie jetzt wieder den ursprünglichen Namen. Das Revier mit 1.005 ha erstreckt sich rund um den Großen Wannsee (Havel), im Südwesten vom Böttcherberg Waldpark an der Grenze nach Potsdam über Moorlake, -Kirche „Peter und Paul“ (UNESCO-WeltKulturErbe) über Heckeshorn („Flensburger Löwe“) bis Strandbad Wannsee zur Havelchaussee und dem verlängerten Fischerhüttenweg im Norden. Zertifiziert seit 2002 nach FSC und Naturland.
Und wer dann noch etwas weiter einsteigen möchte, dem sei http://forst-grunewald.de/ an's Herz gelegt.
Text: Th. Schaath
Fotos: Th. Schaath